Neugablonz - Geschichte

Das Wappen von Neugablonz

Gegründet wurde Neugablonz auf dem Gelände der ehemaligen Dynamit AG, einer Sprengstofffabrik, in der während des 2. Weltkriegs Munition für die deutsche Wehrmacht hergestellt wurde. Auch Zwangsarbeiter aus dem nahegelegenen Lager Riederloh, einem Außenlager des KZ Dachau, wurden hier eingesetzt. Der Name des Stadtgebiets lautete damals noch Kaufbeuren-Hart. Nachdem die Deutschen den Krieg 1945 verloren hatten und die Sprengstofffabrik von den amerikanischen Besatzungsmächten gesprengt wurde, lag das Gelände brach.

Nach 1945 fand es eine neue Zukunft – als größte der fünf bayerischen sogenannten „Vertriebenensiedlungen“. Die neuen Bewohner stammten aus dem Kreis Gablonz im Isergebirge, einem Gebiet, das, vormals jahrhundertelang von Sudetendeutschen besiedelt, nach dem Krieg tschechisches Staatsterritorium wurde. Bekannt war Gablonz (heute: Jablonec nad Nisou) bis dahin vor allem durch seine Glas- und Schmuckindustrie.

Im Rahmen der Vertreibung aus den ehemals „großdeutschen“ Gebieten mussten auch die deutschstämmigen Gablonzer ihre Heimat verlassen. Dass rund 18.000 Gablonzer auf dem Gelände der Dynamit AG fast geschlossen ein neues Zuhause fanden und dort auch ihre traditionelle Glas- und Schmuckindustrie wieder aufbauen konnten, ist wohl einmalig in der Nachkriegsgeschichte. Großen Anteil daran hatte der Diplom-Ingenieur Erich Huschka, der deshalb oft auch als der „Vater von Neugablonz“ bezeichnet wird. Aus dem Hintergrund der Vertreibung und Neuansiedlung heraus wandelte sich der Name des Stadtteiles von Kaufbeuren-Hart bald um in Neugablonz. 

Die Produktion von Modeschmuck war, wie schon in der „alten Heimat“, das Markenzeichen von Neugablonz. Noch heute wird das Bild des Stadtteils geprägt von vielen „Bijouterie“-Unternehmen. Allerdings hat sich die wirtschaftliche Ausrichtung in den vergangenen Jahren immer mehr hin zur Herstellung von Industriekomponenten gewandelt, nicht zuletzt durch die immer stärker werdende Konkurrenz im Modeschmucksektor aus Asien und anderen, billiger produzierenden Ländern. Es gibt aber immernoch rund 100 Betriebe der Gablonzer Industrie, die Modeschmuck und Schmuckkomponenten herstellen. 

Auch als „neue Heimat“ hat Neugablonz seine Bedeutung nicht verloren: Viele deutschstämmige Spätaussiedler aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion haben sich in den vergangenen Jahrzehnten hier niedergelassen. Sie stellen mit rund 40 Prozent einen großen Teil der heutigen Bevölkerung. 

Die Vielfalt der kulturellen Einflüsse gemischt mit einem starken Bewusstsein für die eigene Geschichte und Tradition ist es, was das heutige, lebendige und bunte Neugablonz ausmacht. Neben der Kaufbeurer Kernstadt hat sich so ein sehr eigenständiger Stadtteil entwickelt, der mit dem Neuen Markt auch über ein separates Zentrum mit Einzelhandel und Lokalen verfügt.

 

So sahen die Anfänge im damals noch „Hart“ genannten Stadtteil aus. Hier „Toilettenhaus Nr. 632“ im damaligen Birkenweg (jetzt Adalbert-Stifter-Straße). Sämtliche Bestandshäuser waren gemäß der ursprünglichen Bunker- und Barackenanlagen durchnummeriert. Foto: Stadtarchiv/Heerdegen